Ich werde so langsam wach und schaue aus dem Auto. Die Sonne scheint und die Szenerie auf der anderen Flussseite leuchtet im Sonnenschein. Ich stehe auf, um Kaffee zu machen, und mache als Erstes die Schiebetür im Bus auf. Anke hat noch Probleme, die Augen aufzumachen bei der Helligkeit. Den Kaffee genießen wir auf einer Parkbank auf dem Pier, auf dem wir geparkt haben. Die Sonne lässt die noch nasse Wand des Felsens gegenüber in Schwarz und Braun leuchten.
Wir nutzen die Gelegenheit und das gute Wetter und fahren nochmal zum Langfoss, bei dem wir gestern waren. Die Sonne ändert viel von dem, wie man den Wasserfall wahrnimmt. Es ist lange nicht mehr so mystisch und geheimnisvoll, aber auch nicht mehr so erdrückend. Das weiße Wasser leuchtet auf dem schwarzen Fels.
Das eigentliche Ziel heute ist Lysebotn, ein kleiner Ort am Ende des Lysefjords.
Wir fahren los, erstmal in Richtung Landesinneres – in den Osten. Wir fahren immer höher. Wir kommen an Gamleveien Haukeli vorbei, einem Hochplateau, das seinesgleichen sucht. Es ist malerisch, und wir halten an verschiedenen Stellen immer wieder an, um die Landschaft zu genießen. Die weiten Berge umfassen Seen, die in der Sonne glänzen. Das Wasser ist so klar, dass man mehrere Meter tief schauen kann. Die Vegetation beschränkt sich auf Gräser, Moos und Flechten, die über die Steine wachsen. So sind die vorherrschenden Farben das Grau des Felsens, das Blau des Wassers und das grün-braun der Gräser. In der Ferne auf den Gipfeln sieht man vereinzelt noch Schnee. Diese weißen Flecken ergänzen das Bild, und das alles bei herrlichem Sonnenschein und ein paar Wölkchen.
Auf der anderen Seite geht es wieder runter von dem Plateau und wir fahren dem Wasser folgend in Richtung Süden. Die Vegetation wird wieder mehr, und zwischen den Wäldern taucht das ein oder andere Dorf auf. Die meisten davon sind aktuell nicht belebt, da es sich um Skigebiete handelt. Diese haben, wie die in den Alpen auch, das Problem, dass sie im Sommer eher Schandflecke am Berg sind. Sie sind nicht ganz so hässlich wie die in den Alpen, aber das Naturbild trüben sie trotzdem.
Wir biegen rechts ab und fahren über einen Weg, der die Orte Haukelei und Flateland miteinander verbindet. Die Straße geht in ihrer Mehrheit über eine Höhe, in der es Bäume schwer haben. So besteht die Vegetation aus kleineren Birken und Tannen; die Mehrheit machen Büsche und Gräser aus. Hier wird mächtig an der Straße gebaut und wir warten an vielen Ampeln, um an den Baustellen vorbeizukommen.
Auf der anderen Seite angekommen, machen wir am Honnevje Rastplatz Pause. Hier ist ein Flussbett zu sehen, das seit Jahrtausenden ausgewaschen wurde, und das Wasser hat bizarre Löcher in den Feld gespült. Die Sonne gibt ihr Bestes, und wir verweilen ein wenig auf einem Fels inmitten des Flusses. Wir genießen die Wärme und die Sonne. Irgendwann fahren wir dann aber doch weiter.
Wir nehmen die Straße, die bei Google Maps auf den Namen Suleskartveien hört. Eine Straße, über die man von Norden aus an den Ort Aadneram kommt. Eine Straße, die zwar klein, aber wirklich eine Überraschung ist, wenn man nur ein Verbindungsstück erwartet.
Auf der anderen Seite dieses Zwischenpasses gibt es nur eine kurze Verschnaufpause von kleinen Straßen, und es geht direkt wieder rechts den Berg hoch Richtung Kjerag und Lysebotn. Der erste Teil der Straße ist wenig aufregend, aber das ändert sich, sobald die Straße an Höhe gewinnt. Hier ist nichts mehr von epischen Bergen und Weiten zwischen den Gipfeln. Hier hat der Gletscher ganze Arbeit geleistet und alles rund gelutscht. Die Berge sind hart zerfurcht, aber alles in sanften Rundungen. Die Straße wechselt die Richtung so oft wie die Höhe; es geht rechts, links, hoch und runter, alles gleichzeitig und schier nicht enden wollend.
Wir erreichen Kyerang auf der anderen Seite. Hier ist der Startpunkt für eine der Attraktionen in Norwegen, die man ausschließlich zu Fuß erkunden kann: der Kyerangbolten. Ein riesiger Fels, der in einer Felsspalte eingeklemmt ist und aus der richtigen Perspektive zu schweben scheint. Da wir am Abend hier ankommen, sind viele Menschen hier, die gerade zurückgekommen sind. Die Wanderung zu dem Fels beträgt 11 km Roundtrip mit über 1 km Höhenunterschied (rauf und runter). Wir sparen uns die kleine Wanderung und besuchen das Besucherzentrum. Wir trinken einen Kaffee mit Aussicht auf den Lysefjord 600 m unter uns. Die Terrasse des Cafés bietet einen unglaublichen Ausblick auf die sich windende Straße den Berg runter sowie das kleine Dorf am Ende des Fjords und natürlich auf den Fjord selbst.
Nach dem Kaffee nehmen wir die Kurven in Angriff. 29 Haarnadelkurven und einen abenteuerlichen Tunnel später sind wir unten angekommen. Wir fahren auf den Campingplatz.
Nach einem kleinen Spaziergang durch das kleine Dorf genießen wir den Anblick des Lysefjords und dessen steiler Hänge.



















