Wir wachen auf. Das Wasser tropft leise auf das Autodach. Irgendwo wird eine Autoschiebetür zugemacht und Menschen sprechen. Aus dem Fenster vorn sieht man kaum etwas. Die Scheiben sind beschlagen. Ich mummle mich nochmal in meine Decke und suche die Nähe von Anke. Ich bin noch nicht bereit, wach zu werden. Irgendwann werden wir aber beide so wach, dass es kein Zurück gibt. Im Moment komme ich super aus dem Bett, ich bin morgens nicht verschlafen oder zerknirscht. So auch heute, auch wenn ich nicht das Gefühl habe, genug geschlafen zu haben. Ich turne elegant aus dem Bett (aus der Sicht einer Bahnschranke) und mache Kaffee. Heute geht’s vom Campingplatz in Bergen weiter.
Heutiges Ziel sind Wasserfälle, die es hier in Mengen gibt.
Als erstes fahren wir zum Morkholsfossen. Das Wasser fällt nicht nur beim Wasserfall. Überall sonst scheint auch Wasser von oben zu kommen. Im gemeinen Sprachgebrauch kann hier eindeutig von Regen die Rede sein. Es schifft gerade runter. Kein Spaß, nur nass. Der Wasserfall lohnt sich nicht wirklich, liegt aber eh auf dem Weg, also schauen wir uns das doppelte Wasservergnügen an.
Nächster auf der Liste ist der Fossen Bratte. Wir müssen hier nicht aus dem Auto, den Wasserfall hat man praktischerweise direkt neben der Straße bauen lassen. Auch hier ist der Scheibenwischer notwendiges Zubehör, um etwas zu sehen.
Der nächste wird schöner und spektakulärer: Seinsdalsfossen. Ein Wasserfall, bei dem das Wasser im freien Fall fällt. So war hinter dem Wasserfall Platz, um noch einen Weg zu bauen. Wir steigen aus und dankenswerterweise ändert sich der Regen von wirklich nervig zu „lange will man nicht draußen bleiben“. Aber wir brauchen ja auch nicht lange. Wir gehen den kurzen Weg zum Wasserfall von dem nett angelegten Parkplatz, nachdem wir einen Parkplatz erkämpft haben. Wir haben Glück; der Reisebus hat gerade eine Hundertschaft an Menschen eingesammelt. So ist es nur noch normal voll. Wir wandern den Weg rauf und machen immer wieder Stopps. Der Wasserfall ist zwar nicht so groß, aber schön gelegen. Mir kommen Erinnerungen an den Seljalandsfoss auf Island. Auch ein Wasserfall, um den man herumlaufen kann. In diesem Fall in Norwegen ist allerdings der Weg besser, dafür nicht so groß. Das Rauschen des Wassers ist so laut, dass wir uns nur noch in nächster Nähe verstehen können. Überall am Felsen tropft es, und in den unmöglichsten Ritzen im Fels haben sich kleine Pflanzen eingenistet. Der Blick von der Aussichtsplattform auf halber Höhe des Wasserfalls bietet einen schönen Ausblick, leider auch auf die dahinterliegenden Hallen von irgendwelchen Industriebetrieben. Manchmal versteht man die Norweger nicht; sie bauen echt tolle Dinger für die Touris und haben ein gutes Auge für Schönheit, und dann wieder sowas.
Es geht weiter, das nächste Highlight ist ein menschengemachtes. Das Anthropozän hat hier voll zugeschlagen. Ein Tunnel durch den Berg, in dessen Mitte sich ein Kreisverkehr befindet, der die drei zuführenden Röhren verbindet. Der Tunnelteil ist in einem aufweckenden Blau beleuchtet. Die Abzweigung, die wir nehmen, endet direkt in einer Brücke über den Hardangerfjord, die wiederum direkt wieder in einem Tunnel endet, in dem ein Kreisverkehr unterirdisch die Wege miteinander verbindet. Es ist ein bisschen absurd, was Menschen so alles bauen. Die Straße von hier nach Odda ist, wie so viele an den Fjorden liegende Straßen, extrem eng, und oft kommen Autos nur nacheinander durch Engstellen, so müssen wir oft auf die Gegenseite warten.
Nach einem weiteren 11 km langen Tunnel kommen wir zum Furebergsfossen. Ein Wasserfall, der wegen seiner Lage eher unbeachtet ist. Wir steigen kurz aus, um direkt die erhöhte Luftfeuchtigkeit mit Tropfenbildung zu genießen, wir steigen direkt wieder ein und schauen uns das Spektakel durch die Frontscheibe mit regelmäßiger Deckwasserbefreiung (AKA Scheibenwischer) an.
Es geht wieder durch den eben durchfahrenen 11 km Tunnel Richtung Odda. Die mit Abstand hässlichste Stadt, die es in Norwegen zu geben scheint. Wenn nicht so großartige Dinge drum herum liegen würden, würde man diese Stadt wohl kaum kennen.
Nächster Stopp ist der Låtefossen. Ein Wasserfall, der aus einem See gespeist wird, bei dem zwei Läufe wieder unten zusammenfinden. Zwischen den beiden Strömen befindet sich eine quasi unberührte Insel, auf der ein paar Bäume wachsen. Die Gischt des Wasserfalls hüllt die ganze Szenerie in einen leichten Nebel. Das direkte Wasser von oben, das keinen Umweg über einen Wasserfall gemacht hat, wird weniger und hört zwischendurch sogar auf, und wir sehen ein paar blaue Punkte am Himmel, der bisher nur mit Grau und Grau geglänzt hat. Wir bleiben hier ein bisschen und genießen den Ausblick. Nicht nur der Wasserfall ist ein Spektakel, auch die Menschen enttäuschen mal wieder nicht. Es ist spannend, was hier so Urlaub macht und was andere als „Urlaub“ bezeichnen. Entspannt werden nicht alle nach Hause kommen.
Der letzte Foss auf dieser Tagesetappe ist der Langfossen, einer der größten Wasserfälle in Norwegen. Der Regen hat inzwischen quasi komplett aufgehört. Wir genießen den Wasserfall aus diversen Perspektiven. Es ist einfach ein atemberaubender Wasserfall. Die Größe, die Lautstärke und wie viel Wasser hier runterkommt, ist Wahnsinn.
Wir fahren ein kleines bisschen zurück und suchen uns ein Plätzchen für die Nacht. Anke zaubert uns etwas Leckeres zu essen, und wir genießen den ruhigen Platz und die Aussicht auf die kleinen Häuschen hier unten am Fjordende.

















